*** Update für Interessierte: Mittlerweile ist meine Dissertation zu diesem Thema erschienen: Open Science in der Soziologie – Eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme zur offenen Wissenschaft und eine Untersuchung ihrer Verbreitung in der Soziologie. ***nnOpen Access ist nach wie vor eine Publikationsstrategie, die stark die Begebenheiten im Bereich von Naturwissenschaften und Medizin berücksichtigt und die vor allem in diesen Fächern erfolgreich umgesetzt wird. So publizieren der größte (BioMed Central) und auch der wohl angesehenste Open-Access-Verlag (Public Library of Science, PLoS) ausschließlich Journals aus dem genannten Spektrum. Auch andere Erfolgsgeschichten des Open-Access-Publishing wurden vorrangig im Bereich Naturwissenschaften und Medizin geschrieben, so im Falle des Journals Atmospheric Chemistry and Physics (ACP).nnDie Dominanz dieser Fächer im Open Access Publizieren rührt zum einen wohl von deren Publikationstraditionen her: Geringere Halbwertszeiten der Fachinformation erforderten schnelleren und unproblematischeren Zugang zu Dokumenten als es in anderen Fächern vielleicht nötig war. Zudem waren diese Fächer stärker als andere von den Engpässen in der wissenschaftlichen Literaturversorgung aufgrund der steigenden Journalpreise (und der daraus hervorgehenden Zeitschriftenkrise) betroffen und formulierten Alternativmodelle wie Open Access. Zu guter Letzt dürfte auch die höhere Technikaffinität der Wissenschaftler dieser Fächer zu einem Vorsprung im Open Access Publizieren geführt haben, da man verständlicherweise die Plattformen von Wissenschaftsverlagen nicht nutzen konnte und demzufolge die ersten Publikationsangebote in Eigenregie entwickelte und betrieb.nnIn den Sozialwissenschaften bestehen hingegen andere Ausgangsvoraussetzungen: Während in den oben erwähnten Fächern das Modell der Autorengebühren auch im konventionellen (Toll-Access-)Publizieren verbreitet und akzeptiert ist, ist es in den Sozialwissenschaften unüblich als Wissenschaftler für die Publikation eines Journalartikels zu zahlen. Laut einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG aus dem Jahr 2005 waren nur 8,8% der Sozial- und Geisteswissenschaftler mit diesem Modus vertraut, bei den Ingenieurwissenschaftlern waren es 24,7%, bei Naturwissenschaftlern 50,3% und bei den Lebenswissenschaftlern (worunter auch Biologie und Medizin subsummiert sind) 79,7% (DFG 2005, S. 53). Dies bedeutet aber auch, dass das bei Open-Access-Journalen sehr verbreitete Modell der Finanzierung über Autorengebühren bei Sozialwissenschaftlern ungebräuchlich ist. Folglich lehnen Wissenschaftler aus den Geistes- und Sozialwissenschaften das Author-Pays-Modell für Open Access deutlich ab: In der erwähnten Studie sprachen sich nur 9% für diesen Modus aus. Unter den Befragten aus den Lebenswissenschaften waren dies 24,6%, bei den Naturwissenschaftlern 15,2% – einzig bei den Ingenieurwissenschaftlern stieß dieses Modell auf vergleichbare negative Resonanz. Sie waren nur in 8,2% der Fälle bereit Autorengebühren für Open-Access-Artikel zu akzeptieren (DFG 2005, S. 57).nn
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- Von wenigen Ausnahmen abgesehen (etwa dem Journal Forum Qualitative Sozialforschung FQS) existieren in den Sozialwissenschaften wenige akzeptierte Open-Access-Publikationsangebote, dies gilt vor allem für die in diesem Fachkontext sehr wichtigen Monografien. Der hohe Stellenwert der Monografien dürfte die Verbreitung von Open Access mindern, da im Open-Access-Monografiensektor generell wenige tragfähige Geschäftsmodelle zu finden sind. Dies dürfte teils durch spezifische Anforderungen im Monografiengeschäft bedingt sein, in dem Zusatzdienste wie Drucklegung, Satz, Lektorat einen anderen Stellenwert haben als im reinen Online Publizieren, das im Open-Access-Journalsektor nicht unüblich ist. Dazu kommt die erwähnte fehlende Tradition von Autorengebühren als Finanzierungsmodell.
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nnDie im Vergleich zu Naturwissenschaften und Medizin geringere Verbreitung von Open Access in den Geistes- und Sozialwissenschaften ergibt sich demnach vorrangig aus Finanzierungsaspekten und den fehlenden Geschäftsmodellen. Dazu kommt die fachliche Präferenz für das Publizieren in Monografien, für die es in der Open-Access-Welt sehr wenige reputierte Anbieter gibt. Bezüglich des Geschäftsmodells sollte allerdings nicht vergessen werden, dass es mehr als fraglich ist, ob es in einem Segment, in dem so gut wie kein Endnutzergeschäft durch Verkäufe von wissenschaftlichen Monografien an natürliche Personen existiert, von einem Markt die Rede sein kann. Traditionell werden solche Monografien von wissenschaftlichen Bibliotheken stellvertretend für eine Vielzahl an Wissenschaftlern gekauft, womit der Markt und der Verkauf seit jeher von der öffentlichen Hand alimentiert sind.nnDer Stellenwert der Monografien erschwert auch in anderer Hinsicht die Adaption von Open Access in den Sozialwissenschaften. Die aktuelle Förderlinie „Open Access Publizieren“ der DFG ermuntert deutsche Universitäten dazu, Open-Access-Publikationsfonds einzurichten: Vier Fünftel des Fonds werden von der DFG getragen und nur ein Fünftel von der jeweiligen Universität. Aus diesen Fonds können ausschließlich Publikationen in Open-Access-Journalen bestritten werden, nicht in Monografien. Die zusätzliche Bedingung wonach nur Publikationen in Journalen, die eine Qualitätssicherung über Peer Review betreiben, erstattet werden können schließt Organe, die andere Techniken der Qualitätssicherung (z.B. Editorial Review) anwenden, aus und bevorzugt tendenziell Journale aus dem naturwissenschaftlich-medizinischem Bereich. Da die DFG ihre Initiative nur als eine Art Anschubfinanzierung versteht, sollen diese Fonds mittelfristig zur Gänze von Universitäten getragen werden. Üblicherweise werden diese Fonds von den Hochschulbibliotheken verwaltet, die sich so in einem wandelnden Publikationswesen vom Literaturbeschaffer zu einem Berater in Publikationsstrategien entwickeln könnten. Damit einher gehen dürfte allerdings auch die Tendenz, den Literaturbeschaffungsetat zumindest teilweise in die besagten Publikationsfonds umzuwidmen – was vermutlich zu einer Schwächung des Erwerbungskontingents für Monografien zugunsten der journalfixierten Open-Access-Publikationsfonds führen dürfte: Eine Tendenz, die seit Aufkommen Zeitschriftenkrise im Subskriptionssegment (Kopp, 2000) besteht und nun in den Bereich des Open Access Publizierens durchschlagen könnte.nnDie geringere Verbreitung von Open Access in den Sozialwissenschaften scheint aber vor allem strukturell bedingt, denn die Akzeptanz für Open Access ist nicht weniger ausgeprägt als in anderen Fächern: 68,7% der in der DFG-Studie befragten Sozial- und Geisteswissenschaftler bewerteten Open Access als Beitrag zur Verbesserung des Zugangs zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, über alle Fächer hinweg stimmten 68,8% der Wissenschaftler dieser Aussage zu (DFG 2005, S. 49). Zu ähnlichen Ergebnissen komme Sünje Dallmeier-Tiessen und Anja Lengenfelder (2011, S. 9) bei der Auswertung der Daten aus dem Projekt Study of Open Access Publishing (SOAP) für die deutschen Sozialwissenschaften: Sozialwissenschaftler schätzen Open Access in gleichem Ausmaß wie andere Wissenschaftler, allerdings publizieren sie deutlich weniger Artikel in Open Access Journalen.nn nnLiteraturnnDallmeier-Tiessen, S. & Lengenfelder, A. (2011). Open Access in der deutschen Wissenschaft – Ergebnisse des EU-Projekts „Study of Open Access Publishing“ (SOAP). GMS Medizin — Bibliothek — Information, 11(1-2), 1-12.ndoi: 10.3205/mbi000218.nnDeutsche Forschungsgemeinschaft DFG (2005). Publikationsstrategien im Wandel? Ergebnisse einer Umfrage zum Publikations- und Rezeptionsverhalten unter besonderer Berücksichtigung von Open Access. Weinheim: Wiley. Online: http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/evaluation_statistik/programm_evaluation/studie_publikationsstrategien_bericht_dt.pdf.nnKopp, H. (2000). Die Zeitschriftenkrise als Krise der Monographienbeschaffung. Bibliotheksdienst, 34(11), 1822-1827.nOnline: https://doi.org/10.1515/bd.2000.34.11.1822nn nn
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