Planwirtschaft & Wissenschaft bei SPON

Ich mag gar nicht bestreiten, dass Publikationszahlen ein Parameter bei der Einschätzung wissenschaftlicher Leistung sein können, aber sie sind meiner Meinung nach eben nur einer von vielen und dazu nicht mal ein sehr aussagekräftiger.nnSpiegel Online nimmt es lieber nicht so genau und ergibt sich gestern völlig der Oberflächlichkeit und dem Reduktionismus der Wissenschaftsevaluierer. Man lässt in „Ich veröffentliche, also bin ich Elite-Uni“ keine Chance aus, pure Ahnlosigkeit über das Ökosystem wissenschaftlichen Publizierens zu demonstrieren. Vor allem Seite zwei des Beitrags strotzt vor Plansoll-Überfüllungsprosa: Die Steigerung der Publikationszahlen um 63% an einer Elite-Uni wird als herausragender Erfolg gefeiert, logisch: Quantität schlägt eben in Qualität um (Marx). Oder vielleicht kommt Qualität ja doch von Qual (Berti Vogts). Alfred Kieser, der übrigens exzellente Texte über Wissenschaftsthemen schreibt, bezeichnete diese Mentalität mal sehr treffend als Tonnenideologie der Forschung.nnEine Qual ist es, dass der SPON-Text kein Wort über die Dysfunktionalitäten verliert, die die wissenschaftliche Publikationsflut (deren Gründe sind vielfältig und haben wenig mit gestiegener Qualität zu tun) hervorbringt. Keine Silbe widmet man der Publikationsstrategie der Verwertung jeder noch so kleinen least publishing unit, die Publikationslisten streckt, Reviewer und Herausgeber blockiert und Leser mit fünf bis fünfzehn, nur Minimalerkenntnisse beinhaltenden Kurzartikeln langweilt. Über diese Strategie freuen sich eigentlich nur Verlage: Sie können noch zig neue Journale auflegen und den Bibliotheken in den big deals andrehen. Journals, die keiner lesen will, die aber nötig sind, weil publiziert werden muss – schließlich wird man ja bewertet und evaluiert. Schweigen bei SPON auch über Ehrenautorenschaften, bei denen Wissenschaftlicher sich gegenseitig mit Ko-Autorenschaften beschenken und deren Folge Artikel mit bis zu dreistelligen Autorenzahlen sind.nnDiese und andere Fehlleistungen des Publikationsbetriebs gehen auf den Aberglauben zurück, Publikationshäufigkeiten könnten die Qualität der Wissenschaft beziffern. Aber bei SPON wird nicht ansatzweise darüber nachgedacht, dass diese Zuwächse an Publikationen durchaus Artefakte der Evaluierungindikatoren sind. Leider wird Spiegel Online als relevante Informationsquelle (gerade im Umfeld der Universitäten und Präsidialvorzimmer) wahrgenommen und wirkt mit diesem Artikel als andere als aufklärerisch. Paul Feyerabend hat meiner Meinung viel Kluges und auch einiges Schräges verzapft. Sein Wissenschaftsrelativismus wird mir aber immer sympathischer, je länger ich über den Ablasshandel mit Publikationszahlen und Zitationen nachdenke.nn nn