Im Zuge der geplanten Ausdehnung der Schutzfristen (man sollte besser von Blockadefristen sprechen) für musikalische Werke von 50 auf 70 Jahre verwies ZEIT Online auf einen Beitrag im ATLANTIC vom März diesen Jahres. Dieser berichtet von den Befunden des Wissenschaftlers Paul Heald der Universität of Illinois wonach die Ausdehnung der erwähnten Fristen zur Verknappung an Informationen führe. Wegen geringer Nachfrage nach älteren Büchern werden diese nicht wieder aufgelegt. Da in der Regel aber ein Verlag die exklusiven Rechte an der Veröffentlichung eines Werks hat, ist es für Konkurrenten unmöglich, dieses zu geringeren Preisen (die wiederum zu einer steigenden Nachfrage führen würden) oder in anderer Form, z.B. als E-Book, anzubieten – von den Effekten einer freien Zugänglichkeit ohne Verwertungsrestriktionen in der Public Domain oder als gemeinfreies Werk mal ganz zu schweigen. Nach Healds Untersuchung sind wesentlich mehr Bücher aus der Zeit vor 1920 via Amazon erhältlich als solche, die zwischen 1920 und 2000 erschienen sind. Da wissenschaftliche Werke den gleichen Reglements unterliegen, muss man von einer ähnlichen Verknappung durch die Dauer der Fristen ausgehen.
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Dass wissenschaftliche Journale als Publikationsmodell zumindest mittelfristig zur Diskussion stehen, beweisen unter anderem der Erfolg von PLoS One, das sich zwar Journal nennt, aber viel mehr eine Publikationsplattform darstellt, und das Aufkommen generischer Publikationsservices wie PEERJ. Der Artikel „The weakening relationship between the impact factor and papers‘ citations in the digital age“ von George A. Lozano, Vincent Larivière und Yves Gingras im Journal of the American Society for Information Science and Technology JASIST besagt nun, dass zudem der Einfluss der High-Impact-Journals, also solcher wissenschaftlicher Zeitschriften, die über einen hohen Journal Impact Factor (JIF) verfügen, sinkt: Während noch in den 90er Jahren ungefähr 50% der 5% am häufigsten zitierten Artikel in den 5% der Journale mit dem höchsten JIF-Score erschienen, traf dies 2009 nur noch auf 36% der Artikel zu. Folglich verteilen sich die am häufigsten zitierten Artikel mittlerweile auf eine größere Vielzahl an Journalen.
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Die Wissenschaftler Alma Swan und John Houghton erwehren sich in einem Paper namens „Planting the green seeds for a golden harvest: Comments and clarifications on ‘Going for Gold'“ den Fehlinterpretationen verschiedener ihrer Untersuchungen durch den sogenannten Finch-Report. Der unter Federführung von Dame Janet Finch verfasste Bericht diente als Entscheidungsgrundlage für die Umgestaltung der Open Access Leitlinien der Research Councils UK (RCUK). Er plädiert für Open Access, betont aber nach Ansicht vieler Open Access Vertreter, wie Stevan Harnard, unverhältnismäßig die Vorteile des Gold Open Access. Gold Open Access, bei dem es Verlagen möglich ist, teils hohe Gebühren für die Publikation von Open Access Artikeln einzustreichen, stellt zusehends ein attraktives Geschäftsmodell für kommerzielle Wissenschaftsverlage dar. Swan und Houghton bemängeln nun der Finch-Report zitiere zwar einige ihrer Analysen zu den wirtschaftlichen Aspekten dieser Gebühren, die sie durchaus kritisch einschätzen, tue dies aber schönfärberisch. Harnad wittert gar den Einfluss der Verlagslobby auf den Finch-Report. Der Umstand, dass die Academy of Social Sciences eine zweitägige Konferenz über die Umsetzung des Finch-Reports von kommerziellen Wissenschaftsverlagen wie Routledge, Wiley Blackwell und SAGE sponsoren lässt, dürfte seine Bedenken kaum zerstreuen.
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Über einen meiner Meinung nach etwas diskutablen Umgang mit Plagiaten in Bibliotheken berichtete wiederum ZEIT Online. Man tendiert offensichtlich überwiegend dazu, plagiierte Dissertationen weiter zugänglich zu machen, in der Regel ohne deutliche Kennzeichen des Plagiatscharakters der Arbeiten. Ganz anders verfährt die Online-Plattforme integru, die Plagiatsfälle publik macht. Vielen Dank an dieser Stelle an Prof. Fröhlich (Universität Linz, Österreich), der mich auf Artikel und Plattform aufmerksam machte.
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Hier noch zwei kurze Hinweise auf nützliche Tools: Der Edanz Journal Advisor soll Wissenschaftlern helfen, geeignete Journals zu finden. Er analysiert Abstracts und schlägt Publikationsorte vor, gegebenenfalls selektiert nach JIF-Score und Open Access Modus. Crowdcrafting.org ermöglicht es Projekten, die menschliche Fähigkeiten resp. Tätigkeiten wie Klassifizierung, Transkription, Geocoding oder ähnliches verlangen, diese via Online-Unterstützung zu organisieren – eben Crowdcrafting, wie Crowdfunding nur ohne Geld.
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Zum Abschluss noch die Themen, denen ich mich hier oder an anderer Stelle widmete, in einer Kurzübersicht:
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- Die Open Access Policy des zukünftigen EU Framework Programme Horizon 2020 wird nach Ansicht von Open Access Vertretern verwässert.
- Die erste deutsche Crowdfunding-Plattform für wissenschaftliche Projekte, der Sciencestarter, ging online.
- Roche verweigert den Zugang zu klinischen Daten zur Wirkung des Grippe-Präparates Tamiflu.
- Stefan Baack geht der Frage nach, ob Initiativen für Offenheit soziale Bewegungen darstellen.
- Die Nature Publishing Group verlangt höhere Autorengebühren, wenn Artikel unter offenen Lizenzen publiziert werden.
- Eine exklusive Rechteübertragung brachte die Beatles um interstellaren Ruhm.
- Mendeley veröffentlichte den ersten eigenen Research Report.
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