Heute erschien eine von mir verfasste Buchbesprechung zum Sammelband „Publikationsberatung an Universitäten. Ein Praxisleitfaden zum Aufbau publikationsunterstützender Services“, herausgegeben von Karin Lackner, Lisa Schilhan, und Christian Kaier.
Ulrich Herb (2021): Buchbesprechung zu „Publikationsberatung an Bibliotheken. Ein Praxisleitfaden zum Aufbau publikationsunterstützender Services“ von Karin Lackner, Lisa Schilhan, und Christian Kaier (Hrsg.). Information. Wissenschaft & Praxis, 72(4), 246–247.
DOI:10.1515/iwp-2021-2162
https://doi.org/10.1515/iwp-2021-2162
Hier die Rezension als Volltext:

Publikationsberatung an Universitäten. Ein Praxisleitfaden zum Aufbau publikationsunterstützender Services. Herausgegeben von Karin Lackner, Lisa Schilhan, und Christian Kaier.
Bielefeld: transcript, 2020. 396 Seiten.
Print-ISBN 978-3-8376-5072-3, 39 €
PDF-ISBN 978-3-8394-5072-7, Open Access
EPUB-ISBN 978-3-7328-5072-3, Open Access
DOI:10.14361/9783839450727
https://doi.org/10.14361/9783839450727
Die Herausgeber*innen Karin Lackner, Lisa Schilhan, und Christian Kaier (allesamt Universität Graz) legen mit dem Open Access verfügbaren Sammelband einen „Praxisleitfaden für Personen und Institutionen (…) vor, die eine Stelle zur Publikationsberatung auf- und ausbauen möchten“ (Vorwort). Das Buch weist zwei klar getrennte Teile vor: Der erste Teil thematisiert neben Geschichte, Funktionen, Kontextbedingungen, Prozessen und finanziellen Aspekten wissenschaftlichen Publizierens auch Spezifika unterschiedlicher Disziplinen. Hier finden sich die Beiträge „Historische Umbrüche im wissenschaftlichen Publikationswesen und ihr Widerhall in heutigen Techniken“ (Margo Bargheer), „Publizieren in wissenschaftlichen Zeitschriften“ (Christian Kaier, Xenia van Edig), „Publizieren von wissenschaftlichen Büchern“ (Elisabeth Stadler, Kaier), „Forschungsdatenmanagement und Publizieren von Forschungsdaten – Aufbau von Services am Beispiel der TU Wien“ (Barbara Sánchez Solís, Paloma Marín-Arraiza, Christiane Stork, Magdalena Andrae), „Urheberrecht und offene Lizenzen im wissenschaftlichen Publikationsprozess“ (Walter Scholger), „Wissenschaftliche Integrität im Publikationsprozess“ (Nicole Föger), „Qualitätssicherung und Predatory Publishing in der Publikationsberatung“ (Lisa Schilhan, Karin Lackner), „Open-Access-Finanzierung“ (Ulrike Kändler), „Publikationsmonitoring“ (Stefan Schmeja, Marco Tullney), „Bibliometrie als Thema in der Publikationsberatung“ (Astrid Höller, Kaier), „Sichtbarkeit und Auffindbarkeit wissenschaftlicher Publikationen“ (Schilhan) sowie „Publizieren und Promovieren. Einige Überlegungen unter besonderer Berücksichtigung der Geisteswissenschaften“ (Gerald Lind). Die Beiträge des ersten Teils machen über 70% des gesamten Volumens des Sammelbandes aus und beschreiben die Aspekte wissenschaftlichen Publizierens nahezu völlig. Auch wenn man gegebenenfalls noch Themen wie die Karriererelevanz wissenschaftlichen Publizierens stärker hätte akzentuieren können, ist evident, dass Herausgeber*innen stets auch inhaltliche Grenzen ziehen müssen. Teil eins deckt jedoch nicht nur die Thematik wissenschaftlichen Publizierens hervorragend ab, es ist den Macher*innen auch gelungen, echte Expert*innen als Beiträger*innen zu gewinnen. Der Anspruch der Beiträge geht dabei mitunter weit über das Ziel, einen Praxisleitfaden zu schaffen, hinaus. So vermittelt Bargheers Beitrag zur Historie und Entwicklung des Publizierens einen sehr fundierten Abriss, aus dem auch Kenner*innen des Publizierens Neues lernen dürften. Ähnliches gilt für zahlreiche weitere Beiträge, von denen hier nur einige genannt sein sollen. So dürften auch Pre- und PostDocs die Beiträge zum Publizieren in Zeitschriften und Büchern (Kaier , van Edig bzw. Stadtler, Kaier) oder Urheberrecht (Scholger) mit großem Gewinn lesen, beruhen ihre Kenntnisse wissenschaftlichen Publizierens doch zu oft auf anekdotischem und stark selektiv vermitteltem Wissen ihrer Betreuer*innen. Auch angehende und gestandene Open-Access-Vertreter*innen sowie Bibliothekar*innen z.B. aus Erwerbung oder Medienbearbeitung dürften von Kändlers Beitrag zur Open-Access-Finanzierung sehr profitieren. Ebenfalls heraussticht das Kapitel zur Sichtbarkeit und Auffindbarkeit wissenschaftlicher Publikationen (Schilhan), das mit einer Bestandsaufnahme an Online-Services zur Steigerung von Sichtbarkeit und Verbreitung beginnt, dessen Stärke aber im höchst interessanten Abschnitt zu Academic Search Engine Optimization (ASEO) zu finden ist.
Teil zwei des Bandes fokussiert auf die Veranschaulichung der praktischen „Umsetzung publikationsunterstützender Angebote“ (Vorwort). Die Beiträge befassen sich mit den Themen „Publikationsservices an der Universität Graz – Aufbau und Weiterentwicklung“ (Lackner), „Einführung einer Publikationsberatung an Bibliothek und Archiv der TU Graz“ (Eva Babonich, Gerlinde Maxl), „Serviceleistungen in der Publikationsunterstützung“ (Schilhan, Stadler), „Wichtige Themen in der Publikationsberatung“ (Lackner), „Zielgruppenspezifisches Marketing von publikationsunterstützenden Angeboten unter besonderer Berücksichtigung des Online-Marketing“ (Michaela Zottler), „Vernetzung von publikationsunterstützenden Angeboten“ (Kaier) und „Entwicklung von Policies und Strategien im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens – Erfahrungen aus der Perspektive der Universität Graz“ (Kaier, Schilhan). Mehr als in Teil eins schlägt hier der Praxisaspekt durch, denn die Beiträge beschreiben die konkrete Umsetzung publikationsunterstützender Dienstleistungen und streifen auch Bereiche wie inhaltliche Schwerpunktsetzungen, thematisieren Personalbedarf, strategische und organisatorische Entscheidungen inklusive deren Implikationen für den Stellenwert und die internen Ressourcen sowie das Selbstbild der eigenen Einrichtung. Stärker als in Teil eins des Buch werden hier auch Widerstände oder Komplikationen beim Aufsetzen der Angebote reflektiert, wofür Praktiker*innen gewiss dankbar sind.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Teil eins des Buchs je nach Beitrag eher an ein Handbuch als an einen Praxisleitfaden erinnert, was keine inhaltliche Kritik, sondern eine Anerkennung der Qualität darstellt. Wie erwähnt ist jeder Beitrag des ersten Teils lesenswert und nützlich, die Vertiefung ist dabei variabel, was bei Sammelbänden dieser Art jedoch keine Seltenheit ist. Neben stark einführenden Beiträgen (z.B. zum Publikationsmonitoring) finden sich solche mit sehr detaillierten Darstellungen (z.B. zur Open-Access-Finanzierung), was keinesfalls besagt, dass die einführenden Beiträge nicht ebenfalls wertvoll sind, allein vermisst man zuweilen Einheitlichkeit. Dass bei den Beiträgen des ersten Teils zuweilen Prozesse etwas formalistisch-idealisiert geschildert werden (z.B. die Anwendung von Peer Review auf Bücher oder die implizierte Übertragbarkeit der Preprint-Kultur auf damit unvertraute Fächer), ist angesichts der Praxisorientierung des Bandes und der Tatsache, dass Sammelbandbeiträge per se weniger Platz für Reflexionen bieten als Monografien, leicht verzeihlich.
Teil zwei berichtet sehr stark aus der Grazer Perspektive (alle Beiträger*innen stammen aus der Universität oder Technischen Universität Graz), das ist vertretbar, da man das Portfolio in Graz fraglos als Best Practice erachten kann und diese Fokussierung es auch erlaubt, die Umsetzung der Services in der oben beschriebenen Detailtreue darzustellen (was ein großer Gewinn ist). Die Schwerpunktsetzung geht allerdings unvermeidlicher Weise zu Lasten der Vielfältigkeit.
Alles in allem empfiehlt sich das Werk uneingeschränkt allen Einrichtungen, die ihre Open-Access-Services integrieren wollen und zugleich Dienste anbieten wollen, die über den engen Bereich des Open Access als einem interdependenten Sektor des Publizierens hinausgehen wollen und ein ganzheitliches Dienstleistungsangebot rund um wissenschaftliches Publizieren (weiter-)entwickeln wollen. Teil eins ist darüber hinaus eine umfassende und hochwertige Informationssammlung auch für Bibliothekar*innen, die nicht unmittelbar in der Publikationsberatung aktiv sind, jedoch zusehends mit Begriffen und Informationen aus deren Bereich konfrontiert sind, oder aber auch Wissenschaftler*innen, deren Wissen über Publizieren oft sehr unsystematisch vermittelt wurde und fragmentarisch ist. Insbesondere zu erwähnen ist die zum Buch online (und Open Access) verfügbare Informationssammlung (https://doi.org/10.25364/publikationsberatung-materialien) sowie die teils umfangreichen Zusatzinformationen in Form von Linksammlungen am Ende einiger der Artikel.
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